LIGHTING CONTROL
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Das Thema Licht spielt in der Kunst seit jeher eine große Rolle, sei es als natürliches Phänomen
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oder in seiner metaphysischen oder theatralischen Rolle. Vor allem sein philosophischer Gehalt
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ist von Wichtigkeit. Denn schon Sätze wie „ Licht der Dinge stehen“ heißt langläufig nicht nur etwas
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sehen zu können, sondern die Sache bzw. den Lauf der Dinge begreifen zu können.Oder „die
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Dinge ins Licht rücken“ umschreibt das Streben nach Wahrheitsfindung.
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Auf dieser Ebene bewegt sich Daisuke Ogura, der sich in seinen Arbeiten mit der Beziehung
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zwischen Licht und Gegenstand beschäftigt. Interessant ist hier eine Collage, die aus Fotografie
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und Zeichnung besteht und eine Straßen-Werbetafel zeigt mit der Aufschrift, „as tägliche Fragment”,
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was der Arbeit auch ihren Titel gegeben hat. Die Zeichnung gilt üblicherweise als die Mutter der
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Künste, da sie direkt auf die erste Idee des Künstlers und denkreativen Kern einer Arbeit bezogen
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ist. Sie gilt sozusagen als des Künstlers „erster Wurf“. In diesem Fall jedoch ist es genau umgekehrt.
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DaisukeOguras zeichnerische Arbeit hat sich als Idee aus einer Installation heraus entwickelt,
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in der ein gewelltes, rotes Schild mit der erwähnten Aufschrift von einer darüber angebrachten
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Leuchtstoffröhre beleuchtet wird und sich dadurch verschiedene Licht- und Schattenzonen ergeben.
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Im zweiten Schritt hatte der Künstler die Installation fotografiert, um das Foto wiederum als Vorlage
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für die Zeichnung zu verwenden. So wird die reale 3D-Installation in zwei Schritten in ein
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zweidimensionales Medium übersetzt. Die Werksgenese von „as Tägliche Fragment“ zieht den Weg
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nach, den Künstler üblicherweise gehen: Ihre Arbeit steht im klaren Verhältnis zur Welt. Die Realität ist
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ihre Inspiration. Dabei will das Werk nicht Abbild der Welt sein, sondern eine Reflektion über sie.
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Was ist Schein und was Sein, was ist Fiktion und was Realität? Was liegt im Licht und was verbirgt
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sich im Schatten? Wirft das Licht nicht selbst Schatten?
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Diese Beschäftigung mit dem Wesen der Dinge durchzieht das Gesamtwerk von Daisuke Ogura,
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so auch die Arbeit „Color Density”. Sie besteht aus drei Blättern mit jeweils einem quadratischen
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Farbfeld entweder in Rot, Blau oder Grün. Unter diesen Feldern sind Grafitstäbchen mit den
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verschiedenen Dichten bzw. Härtegraden 2B, 4B und 6B angebracht. Indem Daisuke Ogura diese
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farbigen Arbeiten in schwarz/weiß fotografiert, erscheinen sie auf denersten Blick fast identisch.
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Doch die Grafitstäbchen deuten ihre unterschiedliche Qualität an: Blau, Grün und Rot haben
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unterschiedliche Farbdichten, was heißt, dass sie unterschiedlich stark Licht absorbieren. Diese
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dreiteilige Arbeit ist weniger für das Auge geschaffen worden, sondern vielmehr als Grundlage für
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eine geistige Auseinandersetzung. Daisuke Ogura will den Betrachter hinter die Oberfläche der
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Dinge blicken lassen. Indem er die Farbe und damit den retinalen Effekt der Arbeit tilgt, macht er
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den „Wirklichen“ Charakter der Dinge sichtbar, um deren innere Struktur – das Wesen – aufzudecken.
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Hier zeigt es sich, dass uns das Licht zwar die Welt mit dem Auge erkennen lässt, uns aber oftmals
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die Erkenntnis von Welt versperrt.
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In seinen konzeptuellen Arbeiten spürt Daisuke Ogura aber nicht nur der Frage nach was sich
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hinter augenscheinlichen Gegebenheiten und Situationen verbirgt, sondern hebt auch hervor, dass
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dieselben Dinge in unterschiedlichem Licht anders erscheinen. Dazu gehört die Arbeit „beitsprozesse“,
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die sich in ständiger Veränderung befindet. Daisuke Ogura hat hierfür ein Gewebe verwendet, das
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man aus dem Siebdruck kennt. Er behandelte es mit einer Chemikalie, die üblicherweise zur
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Produktion von Druckvorlagen benutzt wird. Das beschichtete Gewebe schwankt in seiner
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Farbigkeit von Braun bis hin zu Violett, und zwar abhängig von der Belichtungsstärke – mit anderen
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Worten: Das Licht – ob künstlich oder natürlich – bedingt eine Metamorphose. Daisuke Ogura hebt
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hier das Licht und seine formende Kraft hervor, auf die er selbst nur bedingt Einfluss hat. Dieser
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kontrollierte Zufall ist ihm wichtig, weil das Kunstwerk dadurch eine gewisse Autonomie erhält und
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gleichzeitig betont wird, dass der künstlerische Schaffensprozess nicht allein der genauen Planung
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unterliegt, sondern ein eigendynamischer Prozess ist … wie eben das Leben selbst. So betont
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Daisuke Ogura, dass die künstlerische Idee auf dem Weg zum endgültigen Werk eine Wandlung
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durchläuft, sei es, dass das Material dem Künstler seinen eigenen Willen aufdrückt oder dem
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technischen Herstellungsverfahren Grenzen gesetzt sind. Der Künstler ist vielen äußeren Einflüssen
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und Bedingungen ausgesetzt, so dass sein Werk letzten Endes zu einem gewissen Grad immer auch
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eine Überraschung ist. Daisuke Ogura verweist auf den für ihn wichtigen Aspekt, dass die Kunst –
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genauso wie das Leben – von dualen Kräften gelenkt und geleitet wird: So stehen sich beispielsweise
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Kalkül und Zufall, Kontrolle und Spontanität oder Selbst- und Fremdbestimmung, etc. immer
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gegenüber.
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Marion von Schabrowsky
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Art Historian
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